Karriere

Die einstige HFC-Ikone Lutz Schülbe hatte in seiner Karriere mehrfach die Chance auf einen Koffer voller Geld. Er entschied sich aber für seine Familie und seine alte Liebe - den Halleschen FC - und damit gegen das Geld. Anstatt reich zu werden, wurde Schülbe zum Retter seines Vereins.

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Für einen Koffer voll Geld

von Benjamin Abicht und Daniel Heißenstein

Lutz Schülbe empfängt uns stilecht im Vereinsheim seines aktuellen Vereins BSV Halle-Ammendorf und trägt einen Trainingsanzug mit seinen stilisierten Initialen. Seine 53 Jahre sieht man Schülbe nicht an, er ist immer noch sehr fit, läuft aber etwas unrund – Nachwehen einer langen Sportlerkarriere. Im Gespräch wird schnell klar, dass Schülbe eher der anpackende Typ ist. In seinem Verein ist er aktuell Trainer, Präsident und Platzwart zugleich. Schülbe redet ruhig, aber energisch. Man kann den Ehrgeiz, der ihn als Spieler ausgezeichnet hat, noch immer spüren.

Halle sehen und bleiben

Die Saalestadt Halle war für den heute 53-Jährigen erst die zweite Station seiner Laufbahn, hier spielte er von 1985 bis 1992. Gleichzeitig war es für Schülbe auch die letzte. "Transferangebote waren da und die kamen auch immer wieder", versicherte der ehemalige Angreifer. Aus der DDR in die Bundesrepublik zu wechseln, wäre aber eine "endgültige Entscheidung" gewesen, eine Rückkehr oder gar Familienmitnahme waren nicht vorgesehen. Bereits mit Anfang 20 hatte Schülbe Frau und Kind. Sie zurückzulassen, war für Schülbe nicht vorstellbar.

Lutz Schülbe (Foto: Schulz)

Lutz Schülbe (Foto: Schulz)

Nach der Wende, in der Saison 1990/91, wurden die Transferangebote häufiger und deutlich lukrativer. Aus dem Westen kamen viele Agenten, die die Oststars für Westvereine abwerben wollten. Schülbe versuchte in dieser Zeit seinen Marktwert zu testen und zu sehen, wie weit seine Gesprächspartner gehen. Bei einem Turnier in Halle verlangte der HFC-Stürmer von einem Spieleragenten einen Koffer voll Geld, als Bedingung für ein Gespräch. "Man hat es mal aus Spaß probiert", so Schülbe. Der Agent des holländischen Erstligisten NAC Breda überlegte nicht lange und brachte einen Koffer mit 100.000 D-Mark zum Gespräch. Schülbe war verblüfft und fühlte sich geschmeichelt, trotzdem nahm er das Angebot nicht an. Für ihn waren seine Familie und seine Freunde in Halle wichtiger. Die erste Liga wollte Schülbe mit seinem Verein und seiner Mannschaft erreichen.

Karrierewege des HFC-Kaders

(Über das Listen-Symbol links oben können Sie den Kader des Halleschen FC sehen. Klicken Sie auf einen der Spielernamen, um die verschiedenen Stationen der Karriere auf der Karte zu sehen)

Mehr als ein Verein

Der Hallesche FC war für Schülbe nicht nur sein Verein; hier hatte er seine Familie, seine Freunde und all die Dinge, die er schätzte und brauchte. Halle war sein Leben. Trotzdem hat nicht viel gefehlt und Schülbe wäre der Sargnagel des HFC geworden. Im Mai 1992, im Spiel gegen den 1. FSV Mainz, riss sich der langjährige Kapitän des HFC das Kreuzband. Aufgrund seiner langen Verletzungsvorgeschichte bedeutete diese Verletzung für den damals 31-Jährigen das Karriereende. Für solche Fälle wird im Profisport mit Versicherungen vorgesorgt, was auch Schülbe und der HFC so hielten. Verein und Spieler hatten jeweils eine Versicherung über 100.000 D-Mark unterschrieben, also insgesamt 200.000 D-Mark. Als Schülbe dieses Geld im Herbst 1992 abholen wollte, machte ihn die Versicherungsgesellschaft auf einen kleinen, aber folgenschweren Fehler aufmerksam. Die HFC-Verantwortlichen hatten ihn nach seiner letzten Verletzung nicht zurückgemeldet. Dazu hätte ein Brief oder Telefonat gereicht. "Das hat der HFC vergessen und dann waren 200.000 D-Mark weg. So schnell geht das", so Schülbe lakonisch. Durch diesen Formfehler wurde die Versicherung ungültig und der Sportinvalide stand ohne Geld und ohne Zukunft im Profisport da.

Ich hatte die Möglichkeit den HFC zu verklagen und hätte hundertprozentig auch gewonnen. Problem war nur, ich hätte den HFC damals Pleite gemacht. (Lutz Schülbe über sein Karriereende)

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Retter des HFC

Der Rat seines Anwalts stellte Lutz Schülbe 1992 vor eine Prüfung: Er sollte den HFC auf die 200.000 D-Mark verklagen. Die Gewinnaussicht im Falle einer Klage stand bei nahezu hundert Prozent. Der langjährige Kapitän hatte nach einer Verletzung im HFC-Management ausgeholfen und kannte die angeschlagene finanzielle Lage des Vereins. "Finanziell ging es ums Überleben", bestätigte auch sein damaliger Weggefährte Dieter Strozniak. Die Klage hätte zur Zahlungsunfähigkeit des Vereins geführt. Schülbe traf daher eine Herzensentscheidung. Er verzichtete auf seinen Anspruch, er klagte nicht und verschonte den finanziell schlecht aufgestellten Verein. Schülbe startete sein Leben nach dem Fußball bei Null und gab dafür dem HFC eine zweite Chance. Die Chance auf eine Zukunft im Profifußball. Seine Klage hätte das Ende des Vereins bedeutet. Ob er diesen Schritt heute bereut? "Ich wollte das dem HFC nicht antun und auch nicht von Gericht zu Gericht ziehen. Das war alles nicht meins. Also habe ich gesagt, okay, fängst du jetzt bei Null an und das war auch gut so." So wurde aus dem Stürmer Lutz Schülbe der geheime Retter des HFC.

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In der DDR gab es ein dreistufiges Fördersystem, in dem 1989 80.000 Athleten organisiert waren. Stufe I war die Organisation von Talenten in Trainingszentren, Stufe II die gezielte Schulung in Sportclubs und Stufe III waren Hochleistungssporteinrichtungen und Auswahlmannschaften, die nur den besten Athleten vorbehalten waren. Der Hauptgrund für den großen sportlichen Erfolg der DDR war aber ein anderer. Im Gegensatz zu bevölkerungsreichen Ländern wie Russland oder der BRD musste die DDR das Maximale aus dem eigenen Talentpool herausholen, was durch ein sehr früh ansetzendes und effektives Sichtungswesen gewährleistet wurde. Regelmäßige Wettkämpfe, die Kinder- und Jugendspartakiaden, sorgten dafür, dass fast alle Talente gefunden und gefördert wurden. Zudem wurden alle Kinder und Jugendlichen zum Sport verpflichtet: Ab dem Kindergarten wares es mindestens zwei Stunden pro Woche, ab der Grundschule vier und für Studenten sogar acht Stunden.

Sicher versichert

Schülbe hatte in Dresden ein Ökonomiestudium begonnen, was er wie viele Leistungssportler abbrach. Er hatte nach seinem Karriereende 1992 keine Ausbildung und keinen Plan B, was er jetzt mit seinem Leben anfangen sollte. Während seiner Karriere fühlte er sich gut abgesichert, war es am Ende aber doch nicht. Entgegen seiner ursprünglichen Planung fehlte so das finanzielle Polster, was einen sanften Übergang in einen neuen Job ermöglicht hätte. Es begann für Schülbe eine schwere Zeit, in der er auch das Arbeitsamt von innen kennenlernen sollte. Welcher Beruf Schülbe schließlich wieder Erfolg brachte, ist im Zuge seiner Geschichte außergewöhnlich. "Ich dachte mir, nach allem was ich hier erlebt habe, weiß ich einfach, was Versicherung bedeutet." Lutz Schülbe wurde Versicherungsmakler und versichert mittlerweile seit fast 15 Jahren Menschen aus Halle und der Region.

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