Gesunder Größenwahn
Alles begann mit einem Nebenjob in Braunschweig. Es war das Jahr 1989 und in der DDR brodelte es bereits. Frank Mühe hatte gerade ein Medizinstudium in Hannover begonnen und der gebürtige Schöppenstedter war auf der Suche nach einem Nebenjob um sich etwas dazu zu verdienen. Ein Fachgeschäft für Unterhaltungselektronik in Braunschweig bot ihm die Möglichkeit, seine private Leidenschaft für Musik und Elektronik mit einem kleinen Zuverdienst zu verbinden. Als im Herbst dann die Mauer fiel, bekam Mühe die Auswirkungen der politischen Umwälzung direkt zu spüren. "Die Bewohner der grenznahen Städte bis Magdeburg kamen mit großen Interesse und zeigten Begeisterung für unsere Produkte", erinnert sich Mühe heute und so war bald die Idee geboren, eine Filiale des Geschäfts in Magdeburg zu eröffnen. Viel Überredungskunst seitens seines Chefs brauchte es da nicht, im Gegenteil: Mühe war davon überzeugt, das Projekt auch alleine stemmen zu können. "Das war, angesichts meines Medizinstudiums in Hannover, sagen wir mal: Gesunder Größenwahn. Aber ich war damals jung und naiv und getrieben von der Idee – die Idee hat alle Bedenken in den Schatten gestellt. Außerdem steckte ich mitten in einer Phase, in der eigentlich alles geklappt hat, was ich angefasst habe." Und so eröffnete bereits am 31. Januar 1991 in der Schönebecker Straße 103 das HiFi-Geschäft Tonspur - das erste seiner Art in dieser Zeit in Magdeburg.
Die Anfangseuphorie jedoch war schnell verklungen. Plötzlich galt es mit den alltäglichen Widrigkeiten des Geschäftslebens klarzukommen und damit nicht genug: ab dem Februar 1991 pendelte Frank Mühe ständig zwischen Hannover und Magdeburg. "Und so stand ich dann auf einmal da mit meinem Laden, alleine, in Magdeburg, ohne Freunde und hab' gemerkt: Ein lustiges Spiel ist das jetzt nicht mehr, jetzt musst du hier verkaufen und alleine deinen Mann stehen." Heute schmunzelt Frank Mühe als er das erzählt, damals jedoch waren ständige Müdigkeit und Überforderung seine Begleiter. Trotzdem wurde Tonspur bald zu einem ersten Szenetreffpunkt für Musikbegeisterte, Technikinteressierte und DJs. Mit seiner offenen und herzlichen Art schloss der Jungunternehmer schnell neue Freundschaften und auch die Existenz war fürs Erste gesichert. Also entschied Frank Mühe sich, sein Studium vorerst ruhen zu lassen und endgültig nach Magdeburg zu ziehen.